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Hundebiss
151
12.09.06 13:37
Meine ersten Tage in Köln verbrachte ich mit anderen Einwanderer auf einem Schiff. Die Wohnheime waren überfüllt. Deswegen hat die Stadtverwaltung ein paar Schiffe gemietet und diese als Halbsternhotels eingesetzt. Wenn einem Heimbewohner Sozialwohnung zugeteilt wurde, setzte sich Fließband wie geschmiert in Bewegung: Eine glückliche Schiffgastfamilie verließ ihre Kajüte in Richtung Wohnheim. Der frei gewordene Raum wurde sofort durch neue Schiffgäste belegt, die von außerhalb Köln kamen.
Unser Schiff stand am rechten Rheinufer in der Nähe von der Drehbrücke. Drei mal täglich erklang die Schiffsglocke. Die Gattin des Kapitäns, eine fischäugige magere Frau mittleres Alters, servierte das Essen. Einige Schiffgäste kamen mit ihren belegten Brötchen aufs Deck und beobachteten melancholisch herumfliegende Möwen. Die Möwen sahen Einwanderer frech an. Sie wollten andeuten, dass sie auch Anspruch auf belegte Brötchen hätten. Die Möwen trieben mich vom Schiff in die Dickicht der Stadt. Als ich das erste Mal mit der Bahn fuhr, wurde ich um 60 DM erleichtert. Ich sollte die Fahrkarte für zu kurze Strecke gehabt hatten. Dieser Zwischenfall versetzte mich in eine pessimistische Stimmung. Die Familienkasse war plötzlich leer. Die Möwen wurden immer frecher. Die Zukunft verlor ihre Couleurs und nahm die Augenfarbe der Kapitänsfrau an. Vergeblich suchten meine Verwandten nach Mitteln, in mir die Lebenslust wieder aufzuwecken. An einem Abend sagte mir meine Mutter mit triumphierendem Gesicht:
- Komm oben aufs Deck. Du musst etwas Positives erfahren. Viktor ist wieder da.
Viktor gehörte zu den ehemaligen Schiffbewohnern. Seit ein Paar Wochen hatte er ein Zimmer in Wohnheim. Mehrere Monate hatte er gewartet und unzählige Vorschläge des Wohnungsamtes abgelehnt, bis ihm etwas ganz besonderes (ein Juwel - wie er sagte) angeboten wurde. Gleichgültig kletterte ich die Holztreppe hinauf. Ich sah Viktor, der auf dem Deck stand. Seine Hände waren nach vorn ausgestreckt. Er sprach ohne Pause, dabei sah er nachdenklich aus. So ungefähr wie ein Mensch, der auf ein Phänomen gestoßen ist, wofür er keine Erklärung findet. Ein Dutzend Asylbewerber hörten mit leuchtenden Augen zu.
In wenigen Minuten bekam ich das Wesentliche mit. Als Viktor die Gegend in der Nähe seines Wohnheimes erkundete, sichtete er einen kleinen freilaufenden Hund unbekannter Rasse. Der Hund erwies sich als ziemlich frech: Zunächst bellte er Viktor an. Als dieser eine abweisende Bewegung machte, versuchte ihn der Köter am Knie zu greifen. Eher instinktiv bewegte Viktor sein Fuß wie ein Stürmer beim Elfmeterschießen. Der Hund machte einen Bogen in der Luft, landete auf dem Bürgersteig und verschwand, schrill bellend, auf dem Grundstück eines freistehenden Einfamilienhauses. Nach ein Paar Sekunden kam ein hochgewachsener Mann aus dem Haus und näherte sich Viktor mit ernstem Gesicht.
Viktor bekam einen Riesenschreck: Er hatte ganz bestimmt unangemessen gehandelt, jetzt müsse er physisches und seelisches Leiden des Hundes verantworten. Während Viktor seinen Wortschatz nach dem Wort "Verzeihung" hastig durchstöberte, meinte der Mann besorgt:
- Es tut mir schrecklich leid. Wie geht es Ihrem Knie ? Brauchen Sie ärztliche Hilfe ?
Schneller als ein Bergbach im Frühjahr änderte Viktors Gedankenstrom seine Richtung. Er fasste sich an sein Knie (zunächst - wegen Aufregung - an das falsche), hinkte ein Paar Schritte nach vorn und dann wieder zurück und erwiderte:
- Eeeeh... Weiß nicht...Schmerz...
Trotz eingeschränktem Wortschatz durfte er die richtigen Worte gefunden haben. Das Herrchen führte ihn ins Haus. Nachdem Viktor zwei Gläser frischgepressten Orangensaftes getrunken hatte, kam sein Gastgeber mit einem Paar "Wranglers":
- Sollte Ihre Hose beschädigt sein, können Sie gerne das mitnehmen. Das bekam ich erst gestern geliefert. Muss Ihre Größe sein.
Auf Viktors Hose waren keine Spuren jeglicher Fremdeinwirkung sichtbar, die in Frage kommen könnten. Seine linke Hand glitt zum Knie und deckte es behutsam zu. Die Jeans nahm er in die rechte Hand.
Als Viktor bereits zur Tür ging, fragte ihn das Herrchen:
- Sind Sie sicher, dass Sie es alleine nach Hause schaffen ? Soll ich Ihnen ein Taxi rufen ? Sie brauchen es natürlich nicht zu bezahlen.
Viktors Schritt wurde ganz wackelig. Aber er nahm sich zusammen und sagte keinen Ton. Durch ein mildes Lächeln bestätige er die Annahme des Angebots. Nachdem der Hausbesitzer Viktor beim Einsieg in den Taxi geholfen hatte, fragte er ihn:
- Sind Sie sicher, dass Sie nichts mehr brauchen ? Ich habe mitgekriegt, dass Sie zu einem Wohnheim fahren... Haben Sie da einen Fernseher ?
Viktor hatte keinen. Aber nicht mehr lange. Der Fahrer musste dem Herrchen helfen, einen großen Fernseher aus dem Keller zum Taxi zu schleppen. Der Viktor saß im Auto, wie gelähmt, die Jeans in der rechten Hand, die Linke am Knie.
Ich dachte, Viktors Erzählung wäre schon zum Ende. Plötzlich leuchteten seine Augen auf:
- Ja, das Herrchen meinte noch beim Abschied, dass seine Tochter in einer Möbelfabrik arbeite. Und ich soll in den nächsten Tagen eine Sozialwohnung zugeteilt bekommen - einen Juwel! Na ja, ich werde wohl meinen neuen Freund wieder besuchen.
Unser Schiff stand am rechten Rheinufer in der Nähe von der Drehbrücke. Drei mal täglich erklang die Schiffsglocke. Die Gattin des Kapitäns, eine fischäugige magere Frau mittleres Alters, servierte das Essen. Einige Schiffgäste kamen mit ihren belegten Brötchen aufs Deck und beobachteten melancholisch herumfliegende Möwen. Die Möwen sahen Einwanderer frech an. Sie wollten andeuten, dass sie auch Anspruch auf belegte Brötchen hätten. Die Möwen trieben mich vom Schiff in die Dickicht der Stadt. Als ich das erste Mal mit der Bahn fuhr, wurde ich um 60 DM erleichtert. Ich sollte die Fahrkarte für zu kurze Strecke gehabt hatten. Dieser Zwischenfall versetzte mich in eine pessimistische Stimmung. Die Familienkasse war plötzlich leer. Die Möwen wurden immer frecher. Die Zukunft verlor ihre Couleurs und nahm die Augenfarbe der Kapitänsfrau an. Vergeblich suchten meine Verwandten nach Mitteln, in mir die Lebenslust wieder aufzuwecken. An einem Abend sagte mir meine Mutter mit triumphierendem Gesicht:
- Komm oben aufs Deck. Du musst etwas Positives erfahren. Viktor ist wieder da.
Viktor gehörte zu den ehemaligen Schiffbewohnern. Seit ein Paar Wochen hatte er ein Zimmer in Wohnheim. Mehrere Monate hatte er gewartet und unzählige Vorschläge des Wohnungsamtes abgelehnt, bis ihm etwas ganz besonderes (ein Juwel - wie er sagte) angeboten wurde. Gleichgültig kletterte ich die Holztreppe hinauf. Ich sah Viktor, der auf dem Deck stand. Seine Hände waren nach vorn ausgestreckt. Er sprach ohne Pause, dabei sah er nachdenklich aus. So ungefähr wie ein Mensch, der auf ein Phänomen gestoßen ist, wofür er keine Erklärung findet. Ein Dutzend Asylbewerber hörten mit leuchtenden Augen zu.
In wenigen Minuten bekam ich das Wesentliche mit. Als Viktor die Gegend in der Nähe seines Wohnheimes erkundete, sichtete er einen kleinen freilaufenden Hund unbekannter Rasse. Der Hund erwies sich als ziemlich frech: Zunächst bellte er Viktor an. Als dieser eine abweisende Bewegung machte, versuchte ihn der Köter am Knie zu greifen. Eher instinktiv bewegte Viktor sein Fuß wie ein Stürmer beim Elfmeterschießen. Der Hund machte einen Bogen in der Luft, landete auf dem Bürgersteig und verschwand, schrill bellend, auf dem Grundstück eines freistehenden Einfamilienhauses. Nach ein Paar Sekunden kam ein hochgewachsener Mann aus dem Haus und näherte sich Viktor mit ernstem Gesicht.
Viktor bekam einen Riesenschreck: Er hatte ganz bestimmt unangemessen gehandelt, jetzt müsse er physisches und seelisches Leiden des Hundes verantworten. Während Viktor seinen Wortschatz nach dem Wort "Verzeihung" hastig durchstöberte, meinte der Mann besorgt:
- Es tut mir schrecklich leid. Wie geht es Ihrem Knie ? Brauchen Sie ärztliche Hilfe ?
Schneller als ein Bergbach im Frühjahr änderte Viktors Gedankenstrom seine Richtung. Er fasste sich an sein Knie (zunächst - wegen Aufregung - an das falsche), hinkte ein Paar Schritte nach vorn und dann wieder zurück und erwiderte:
- Eeeeh... Weiß nicht...Schmerz...
Trotz eingeschränktem Wortschatz durfte er die richtigen Worte gefunden haben. Das Herrchen führte ihn ins Haus. Nachdem Viktor zwei Gläser frischgepressten Orangensaftes getrunken hatte, kam sein Gastgeber mit einem Paar "Wranglers":
- Sollte Ihre Hose beschädigt sein, können Sie gerne das mitnehmen. Das bekam ich erst gestern geliefert. Muss Ihre Größe sein.
Auf Viktors Hose waren keine Spuren jeglicher Fremdeinwirkung sichtbar, die in Frage kommen könnten. Seine linke Hand glitt zum Knie und deckte es behutsam zu. Die Jeans nahm er in die rechte Hand.
Als Viktor bereits zur Tür ging, fragte ihn das Herrchen:
- Sind Sie sicher, dass Sie es alleine nach Hause schaffen ? Soll ich Ihnen ein Taxi rufen ? Sie brauchen es natürlich nicht zu bezahlen.
Viktors Schritt wurde ganz wackelig. Aber er nahm sich zusammen und sagte keinen Ton. Durch ein mildes Lächeln bestätige er die Annahme des Angebots. Nachdem der Hausbesitzer Viktor beim Einsieg in den Taxi geholfen hatte, fragte er ihn:
- Sind Sie sicher, dass Sie nichts mehr brauchen ? Ich habe mitgekriegt, dass Sie zu einem Wohnheim fahren... Haben Sie da einen Fernseher ?
Viktor hatte keinen. Aber nicht mehr lange. Der Fahrer musste dem Herrchen helfen, einen großen Fernseher aus dem Keller zum Taxi zu schleppen. Der Viktor saß im Auto, wie gelähmt, die Jeans in der rechten Hand, die Linke am Knie.
Ich dachte, Viktors Erzählung wäre schon zum Ende. Plötzlich leuchteten seine Augen auf:
- Ja, das Herrchen meinte noch beim Abschied, dass seine Tochter in einer Möbelfabrik arbeite. Und ich soll in den nächsten Tagen eine Sozialwohnung zugeteilt bekommen - einen Juwel! Na ja, ich werde wohl meinen neuen Freund wieder besuchen.
NEW 12.09.06 14:19
в ответ Дель Брюкер 12.09.06 13:37
Lustig. Vom goldenen Fisch aus einem Märchen habe ich schon gehört..
Es gibt also auch Goldhunde, nicht nur Goldfische.
Ich fürchte, Viktor endet genau so, wie der alte Mann, der immer wider zum goldenen Fisch kam und immer wieder
etwas Neues verlangt hat ))
Es gibt also auch Goldhunde, nicht nur Goldfische.
Ich fürchte, Viktor endet genau so, wie der alte Mann, der immer wider zum goldenen Fisch kam und immer wieder
etwas Neues verlangt hat ))
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NEW 12.09.06 20:54
Ja, Deine Thematik ist die von Kaminer. Ich war auf einer seiner Russendiskos in Düsseldorf. Die Deutschen himmeln ihn an. Er ist ein Glückspilz, hätte mit seinen bescheidenen Fähigkeiten in Russland nie eine schriftstellerische Karriere machen können, aber hier hat er sozusagen den Nerv der Zeit getroffem. Nennt sich selbst Dowlatows Erbe! Dass ich nicht lache! Na ja, bis er das Niveau von Dowlatow erreicht...
NEW 12.09.06 23:15
в ответ Taro2005 12.09.06 20:54
Dowlatows Erbe? Fromm ist er also nicht... Egal... Aber ein paar Erzählungen, die ich mir ansah, waren OK. Das Gemeinsame in ihm und Dowlatow ist es vielleicht, dass die beiden auf jeden einzelnen Wort im Satz großen Wert legten. Jeder im Rahmen seiner Begabung...