Deutsch
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Über nationale Empfindsamkeit

18.09.06 19:11
Re: Über nationale Empfindsamkeit
 
Tatarin. постоялец
Tatarin.
Obwohl ich eigentlich kein hundertprozentiger Russe bin, kommt mir was ihr da schreibt sehr nah. Russisch ist eine meiner Muttersprachen und ist mir leider sogar näher, als die Sprache meines Volkes, ich sehe wie ein Russe aus, habe eine Hochschule in Russland absolviert und fühle mich ja in der ersten Reihe dem russischen Volk zugehörig.
Obwohl ich eigentlich noch nie wegen meiner Nationalität diskriminiert wurde (was ich meinem Aussehen und guten Sprachkenntnissen verdanken kann), war mir aber oft peinlich zu sehen, wie sich die Russen (oder die Russlands-Deutsche) hier benehmen. Es passierte mir tausendmals in der S- oder U-Bahn, dass ich ungewollt die Gespräche von Russen zum Hören bekam. Dabei ging es 2 oder 3 mal um mögliche Kriminaldelikte, fast immer war das Gespräch an Schimpfwörtern reich und unangemessen laut, das es sogar die anderen im Zug ströte. Fast nie konnten sie Deutsch (höchstens sehr gebrochen), und wenn jemand versuchte, sie darauf hinzuweisen, dass sie die anderen stören, waren sie echt unfreundlich und aggressiv. Das habe ich nicht einmal erlebt, und nicht nur in einer bestimmten Gegend -- überall, in Berlin, in Hannover, in Hamburg und in Göttingen. Deswegen ist es nicht überraschend, dass sich die Vorurteile gegen Russen unter den Einheimischen weiter verbreiten und kräftigen.
Kurz nach meiner Einreise in Deutschland, als ich Deutsch noch nicht richtig konnte, habe ich eine kurze Erzählung geschrieben. Die finde ich im Moment leider nicht, aber egal. Die Erzählung hieß "Ich schäme mich, dass ich als Russe geboren bin". Ich muss zugeben, dass ich in dem, was Schreiben betrifft, immer die Anweisung von Borges befolge: "Wenn Sie nicht schreiben können, schreiben Sie lieber nicht" und die war meine erste (und bisher die einzelne) Erzählung. Ich war von meinem Volk, von meinem Land sehr enttäuscht. Nicht von meinen Freunden, von denen, die in Russland geblieben waren und die ich eher als Freunde, als als Russen betrachtet habe (manche waren Tataren, manche Juden, aber mir war ihre Nationalität absolut egal). Aber von denen, die auf der Suche nach einem besseren Leben hierher eingereist oder eingewandert sind, sind aber aufdrängerisch bis draufgängerisch, die keine Rücksicht auf anderen nehmen und immer alles haben wollen, egal, ob sie es verdient haben oder nicht. Davon habe ich leider zu viele gesehen.
Einmal fuhr ich mit der U-Bahn in die Richtung Krumme Lanke, in Berlin. Auf einer Haltestelle sind 2 Jugendliche in den Waren reinmarschiert, die offensichtlich besoffen und vielleicht auch bekifft waren. Sie haben laut gesprochen, fast gescrhrieen, haben die Wagenbänke bespieen. Ich dachte mir zuerst, sie seien Deutsche, sie waren es aber nicht. Sie haben im gebrochenen Deutsch gesprochen (was ich damals noch nicht erkennen konnte) und dann plötzlich sagte einer von den beiden etwas auf Russisch... Mir war noch nie in meinem Leben so peinlich, peinlich, dass ich diesem Volk zugerechnet bin, dessen Vertreter da in dem Wagen randalierten.
Es ist aber die Tatsache, dass nicht die besten nach Deutschland eingewandert sind. Unter dem Zeichen der deutschen und judischen Immigration kamen viele, die auch in Russland nicht arbeiten wollten, keine Ausbildung hatten und dementsprechend auch keinen guten Job finden konnten. In einem neuen Land konnten sie das an sich kaum ändern und landeten in die unteren Schichten der Gesellschaft -- wo sich die Penner, Arbeitsloser, Kriminalität befinden. Die sind aber nicht alle Russen, nicht die guten, anständigen, die sowohl in seinem Ursprungsland als auch hier, in Deutschland, in das gesellschaftliche Leben gut eingegliedert sind.
Ich denke, man kann nichts dagegen machen, ein negatives Beispiel ist viel überzeugender, als Tausend positive. Man muss das einfach annehmen. Nicht alle Russen sind so, genauso wie nicht alle Deutsche trinken nur Bier und essen Wurst. Das sind halt die Vorurteile, die denen innewohnen, die sich vorwiegend in seinem Land aufhalten und nicht so vielen Fremden begegnen. Wer viel reist, viel über Internet kommuniziert und gut gebiildet ist, ist sich dessen bewusst, dass solche Sachen sehr individuell sind und nicht dem ganzen Volk eignen können.
--------Ne bela estas amata, sed amata estas bela...
 

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