AFD - так ли страшен черт, как его малюют?
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Die Welt 14,08.2017:
Deutschland ein Vasallenstaat Amerikas. Die Deutschen das Opfer jüdischer Strippenzieher, die uns im Interesse des Finanzkapitals den Nationalstolz austreiben. Wladimir Putin der Retter Europas. Die Zukunft des Kontinents ein eurasisches Bündnis mit Russland gegen das Brüsseler „Eurabien“ und Amerika. Selten wurde diesseits von NPD-, Maoisten- oder Islamisten-Veranstaltungen ein derart geschlossenes antiwestliches Weltbild präsentiert wie am Samstag bei der AfD-„Russlandkonferenz“ in Magdeburg.
Veranstaltet wurde die Konferenz von André Poggenburg. Der AfD-Landeschef von Sachsen-Anhalt und Vertreter des völkischen Flügels hat damit den eigentlichen Wahlkampf der AfD eröffnet. Ein Kampf, der sich nicht nur gegen „das Regime“ wendet, wie die Regierung Merkel durchgängig genannt wurde, sondern gegen die verbliebenen gemäßigten Kräfte in der AfD. Die Reaktion frisst ihre Kinder. Und das mit dem Segen von Parteichef Jörg Meuthen, der Poggenburgs Konferenz ein Grußwort übermittelte.
Nun ist es durchaus politisch legitim, für die Verständigung mit Russland einzutreten und gegen die EU-Sanktionen zu mobilisieren. Schließlich sprechen sich inzwischen nicht nur die AfD, sondern auch die CSU, Politiker der SPD und Christian Lindner von der FDP sowie der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft gegen die Sanktionen aus. Freilich verwendete die Konferenz keine Sekunde auf die Erörterung konkreter Strategien, wie denn die Sanktionen zu Fall gebracht werden könnten. Darum geht es Poggenburg nicht wirklich.
„Kolonie“, „Vasall“, „Sklave“ der USA
Legitim ist auch der Versuch, die schätzungsweise drei bis vier Millionen Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion als Wähler zu mobilisieren. Die Partei umwirbt sie mit russischsprachigen Medien, über Interviews ihrer Funktionäre in russischen Staatssendern wie „RT“ und „Sputnik“ und mit einer „Interessengemeinschaft der Russlanddeutschen in der AfD“.
Erfolgreich, wie es scheint: Unter den etwa 250 Teilnehmern waren viele, die untereinander in Hinterzimmern und auf den Fluren Russisch sprachen. Doch wurde die materielle Lage der Russlanddeutschen auf der Konferenz gar nicht thematisiert. Im Gegenteil. Einen Vorstoß der CDU, die Renten für Aussiedler zu verbessern, tat Waldemar Birkle, Vorsitzender der „Interessengemeinschaft“, als Versuch ab, den Aussiedlern ihre „deutsche Identität“ abzukaufen.
Um diese Identität allein geht es nämlich bei der AfD-Konferenz. Um eine einzige, ununterbrochene Hasstirade gegen die Feinde des weißen Mannes, Amerika, den „Globalismus“ und den „Bevölkerungsaustausch“ im Interesse des Kapitals. Ein Redner nach dem anderen stellt fest, Deutschland sei „Kolonie“, „Vasall“, „Sklave“ der USA und der „Strippenzieher“, die Amerika beherrschen. Nicht einmal ein Donald Trump komme gegen sie an, sagt Poggenburg. Er wollte sich ja um Amerika und seine Wähler kümmern. Aber er werde in einen Krieg mit Nordkorea, mit Syrien, mit Venezuela, mit Russland getrieben.
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Diese Strippenzieher sind die üblichen Verdächtigen: der auch von Viktor Orbán als Hauptfeind ausgemachte jüdische Finanzier George Soros und die „731 Firmen der US-Finanzwirtschaft, die acht Milliarden Menschen zu ihren Arbeits- und Konsumsklaven gemacht haben und die Welt gleichschalten wollen“, wie es Hans-Jörg Müller ausdrückt, Geschäftsmann mit regelmäßigen Verbindungen zum russischen Außenhandelsministerium und Bundesvorsitzender des AfD-Mittelstandforums.
Der Redner aber, der am späteren Nachmittag die Konferenzteilnehmer zu stehenden Ovationen hinreißt, ist selbst kein AfD-Mitglied. Es ist der Ex-Maoist Jürgen Elsässer, der seinen alten Amerika-Hass nun rechts gewendet hat und das „Compact-Magazin für Souveränität“ herausgibt. 1990 begründete er die linke Strömung der „Antideutschen“. Nun ruft er in den nach der mittäglichen Soljanka etwas somnambulen Raum: „Ich bin Deutscher, und ich will nicht zulassen, dass Deutschland vor die Hunde geht!“ Da werden die Leute wach. Das sind die Töne, die sie hören wollen. „Dieses Regime tauscht uns als Volk aus gegen Fremde und degradiert Deutschland zur Kolonie der Amerikaner!“ sagt Elsässer. Im Saal ertönen „Merkel muss weg!“-Rufe.
Elsässer zitiert Wladimir Putin: Die „euro-atlantischen Staaten negieren religiöse, nationale, kulturelle, und geschlechtliche Identitäten“. Weil er das ausspreche, werde er von der westlichen Elite gehasst. Putin habe die Russen „zu einem Volk gemacht“ mit einem Geschichtsnarrativ, in dem sich alle wiederfinden, Zarenanhänger und Kommunisten. „Von Katarina bis Stalin: es gab Verbrechen, aber auch Leistungen. Unser Björn Höcke hat in Dresden das Gleiche gesagt.“ Tosender Beifall. André Poggenburg lächelt verschmitzt.
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Elsässer weiter: „Warum haben nur wir ein Denkmal für die Opfer in Berlin? Wo ist das Denkmal für die ermordeten Indianer in Washington? Für die ermordeten Dresdener in London? Ich wehre mich gegen Schuld bis ins dritte und vierte Glied. Die wollen uns damit kleinhalten.“
Wer „die“ sind, ist allen Anwesenden klar. Es sind jene „Strippenzieher jenseits des großen Teichs“, die dafür sorgen, dass der wegen antisemitischer Hetze verurteilte Horst Mahler als „politischer Gefangener“ eingesperrt wird, wie der Historiker Jan von Flocken unter Beifall in den Saal ruft. Die eine russisch-deutsche Waffenbruderschaft verhindern wollen, die vom Kampf gegen Napoleon bis zur sowjetischen Unterstützung der Wiederaufrüstung Deutschlands gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrags immer ein Segen für Deutschland und Europa gewesen sei, so der Historiker weiter.
Es sind die Leute, die den Deutschen nach 1945 durch „Umerziehung“ um ihren Nationalstolz gebracht haben, wie Birkle beklagt. Die Ursula von der Leyen dazu bewegen, „im antifaschistischen Furor“ die Bundeswehr „nach Osten zu schicken als Kanonenfutter der Yankees“, wie Elsässer sagt. Dabei „brauchen wir die Bundeswehr zur Landesverteidigung gegen die islamische Invasion!“ Elsässer mahnt: „Wir brauchen die große Allianz mit Pegida, den Identitären, keine Abgrenzeritis.“ Und beendet seine Rede mit einem Zitat seines Lehrers Mao Tsetung: „Einen Finger kann man brechen, fünf Finger sind eine Faust!“ Großer Jubel im Saal.
Das „wahre Europa“ vermuten die Rechten im Osten
Die „Compact“-Ideologen geben den Ton an. Neben Elsässer ist das Algis Klimaitis. Der Sohn eines litauischen Paramilitärs und Nazi-Sympathisanten, der unter deutscher Führung an Judenmorden beteiligt war, ist dem Rassenwahn seines Vaters treu geblieben. Auf YouTube kann man einen Film abrufen, in dem Klimaitis erklärt, die „satanistischen und okkulten Eliten“ wollten über ein „Programm der Rassenvermischung“ die Nationen, die Religionen und die Familie abschaffen.
Über Satanisten redet Klimaitis auf der AfD-Konferenz nicht. Dafür über die jüdischen Theoretiker „Adorno-Wiesengrund“, Horkheimer und Bloch, die im Westen die 68er gegen „das Wahre, Schöne, und Gute“ mobilisiert hätten. Später hätten sich die Linken mit dem Kapitalismus verbündet, um den Relativismus, die Entgottung der Welt und die Übergabe der Kinder an den Nanny-Staat im Interesse eines permanenten, kreditfinanzierten Wachstums zu forcieren. Hinzu komme der „organisierte islamische Einwanderungsdschihad“. Solange die „Brüsseler EU“ existiere, sei die Islamisierung nicht zu stoppen.
Im Westen herrsche bereits „Eurabien“. Das wahre Europa sei nach Osten gewandert. Heute bildeten die Visegrad-Länder ein „genuin europäisches Rückzugsgebiet“. Sie seien Kerneuropa. Sie müssten sich von Brüssel lossagen und sich Putins „Eurasischer Wirtschaftsunion“ anschließen. Eventuell könnten auch jene Teile Deutschlands, die sich der Islamisierung widersetzen, dazugehören. Frenetischer Beifall.
Neue Verfassung soll „Volkswillen“ widerspiegeln
Nun mag man glauben, all diese Verschwörungstheorien und Revolutionspläne hätten mit der realen Politik der AfD wenig zu tun, wie sie medial von einer immer wieder gern interviewten Honoratiorengestalt wie Alexander Gauland vertreten wird. Der jedoch hat nicht nur beste Beziehungen zu regierungsnahen russischen Stiftungen, sondern hält persönlich die Hand über André Poggenburg, der auf der Konferenz sagt: „Wir sind für den Abzug der US-Truppen aus Deutschland. Und in der Nato, wo Amerika den Ton angibt und es drum herum nur Vasallen gibt, wollen wir als Deutsche nicht bleiben. Wir haben als AfD die Souveränität ganz fest im Auge.“ Dann werde eine neue Verfassung auf der Tagesordnung stehen, die den „Volkswillen“ widerspiegele.
Steht die AfD also auf dem Boden des Grundgesetzes? Poggenburg hat die Antwort gegeben: vorläufig.
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